»Ihm gelingt, die heitere Ruhe stiller Seeaussichten darzustellen, wo anliegend-freundliche Wohnungen, sich in der klaren Flut spiegelnd, gleichsam zu baden scheinen; Ufer, mit begrünten Hügeln umgeben, hinter denen Waldgebirge und eisige Gletscherfirnen aufsteigen. Der Farbenton solcher Szenen ist heiter, fröhlich-klar; die Fernen mit milderndem Duft wie übergossen, der, nebelgrauer und einhüllender, aus durchströmten Gründen und Tälern hervorsteigt und ihre Windungen andeutet. Nicht minder ist des Meisters Kunst zu loben in Ansichten aus Tälern, näher am Hochgebirg gelegen, wo üppig bewachsene Bergeshänge niedersteigen, frische Ströme sich am Fuß der Felsen eilig fortwälzen.
Trefflich weiß er in mächtig schattenden Bäumen des Vordergrundes den unterscheidenden Charakter verschiedener Arten so in Gestalt des Ganzen wie in dem Gang der Zweige, den einzelnen Partien der Blätter befriedigend anzudeuten; nicht weniger in dem auf mancherlei Weise nuancierten frischen Grün, worin sanfte Lüfte mit gelindem Hauch zu fächeln und die Lichter daher gleichsam bewegt erscheinen.
Im Mittelgrund ermattet allmählich der lebhafte grüne Ton und vermählt sich auf entferntern Berghöhen schwach violett mit dem Blau des Himmels. Doch unserm Künstler glücken über alles Darstellungen höherer Alpgegenden; das einfach Große und Stille ihres Charakters, die ausgedehnten Weiden am Bergeshang, mit dem frischesten Grün überkleidet, wo dunkel einzeln stehende Tannen aus dem Rasenteppich ragen und von hohen Felswänden sich schäumende Bäche stürzen. Mag er die Weiden mit grasendem Rindvieh staffieren oder den engen, um Felsen sich windenden Bergpfad mit beladenen Saumpferden und Maultieren, er zeichnet alle gleich gut und geistreich; immer am schicklichen Ort und nicht in zu großer Fülle angebracht, zieren und beleben sie diese Bilder, ohne ihre ruhige Einsamkeit zu stören oder auch nur zu mindern. Die Ausführung zeugt von der kühnsten Meisterhand, leicht mit wenigen sichern Strichen und doch vollendet. Er bediente sich später englischer glänzender Permanentfarben auf Papier, daher sind diese Gemälde von vorzüglich blühendem Farbenton, heiter, aber zugleich kräftig und gesättigt.
Seine Abbildungen tiefster Felsschluchten, wo um und um nur totes Gestein starrt, im Abgrund, von kühner Brücke übersprungen, der wilde Strom tobt, gefallen zwar nicht wie die vorigen, doch ergreift uns ihre Wahrheit; wir bewundern die große Wirkung des Ganzen, durch wenige bedeutende Striche und Massen von Lokalfarben mit dem geringsten Aufwand hervorgebracht.
Ebenso charakteristisch weiß er die Gegenden des Hochgebirges darzustellen, wo weder Baum noch Gesträuch mehr fortkommt, sondern nur zwischen Felszacken und Schneegipfeln sonnige Flächen mit zartem Rasen sich bedecken. So schön und gründuftig und einladend er dergleichen Stellen auch koloriert, so sinnig hat er doch unterlassen, hier mit weidenden Herden zu staffieren, denn diese Gegenden geben nur Futter den Gemsen, und Wildheuern einen gefahrvollen Erwerb.«
Wir entfernen uns nicht von der Absicht, unsern Lesern den Zustand solcher wilden Gegenden so nah als möglich zu bringen, wenn wir das eben gebrauchte Wort Wildheuer mit wenigem erklären. Man bezeichnet damit ärmere Bewohner der Hochgebirge, welche sich unterfangen, auf Grasplätzen, die für das Vieh schlechterdings unzugänglich sind, Heu zu machen. Sie ersteigen deswegen, mit Steigehaken an den Füßen, die steilsten, gefährlichsten Klippen, oder lassen sich, wo es nötig ist, von hohen Felswänden an Stricken auf die besagten Grasplätze herab. Ist nun das Gras von ihnen geschlagen und zu Heu getrocknet, so werfen sie solches von den Höhen in tiefere Talgründe herab, wo dasselbe, wieder gesammelt, an Viehbesitzer verkauft wird, die es der vorzüglichen Beschaffenheit wegen gern erhandeln.
Jene Bilder, die zwar einen jeden erfreuen und anziehen müßten, betrachtete Hilarie besonders mit großer Aufmerksamkeit; ihre Bemerkungen gaben zu erkennen, daß sie selbst diesem Fache nicht fremd sei; am wenigsten blieb dies dem Künstler verborgen, der sich von niemand lieber erkannt gesehen hätte als gerade von dieser anmutigsten aller Personen. Die ältere Freundin schwieg daher nicht länger, sondern tadelte Hilarien, daß sie mit ihrer eigenen Geschicklichkeit hervorzutreten auch diesmal, wie immer, zaudere; hier sei die Frage nicht, gelobt oder getadelt zu werden, sondern zu lernen. Eine schönere Gelegenheit finde sich vielleicht nicht wieder.
Nun zeigte sich erst, als sie genötigt war, ihre Blätter vorzuweisen, welch ein Talent hinter diesem stillen, zierlichsten Wesen verborgen liege; die Fähigkeit war eingeboren, fleißig geübt. Sie besaß ein treues Auge, eine reinliche Hand, wie sie Frauen bei ihren sonstigen Schmuck- und Putzarbeiten zu höherer Kunst befähigt. Man bemerkte freilich Unsicherheit in den Strichen und deshalb nicht hinlänglich ausgesprochenen Charakter der Gegenstände, aber man bewunderte genugsam die fleißigste Ausführung; dabei jedoch das Ganze nicht aufs vorteilhafteste gefaßt, nicht künstlerisch zurechtgerückt. Sie fürchtet, so scheint es, den Gegenstand zu entweihen, bliebe sie ihm nicht vollkommen getreu, deshalb ist sie ängstlich und verliert sich im Detail.
Nun aber fühlt sie sich durch das große, freie Talent, die dreiste Hand des Künstlers aufgeregt, erweckt, was von Sinn und Geschmack in ihr treulich schlummerte; es geht ihr auf, daß sie nur Mut fassen, einige Hauptmaximen, die ihr der Künstler gründlich, freundlich-dringend, wiederholt überlieferte, ernst und sträcklich befolgen müsse. Die Sicherheit des Striches findet sich ein, sie hält sich allmählich weniger an die Teile als ans Ganze, und so schließt sich die schönste Fähigkeit unvermutet zur Fertigkeit auf: wie eine Rosenknospe, an der wir noch abends unbeachtend vorübergingen, morgens mit Sonnenaufgang vor unsern Augen hervorbricht, so daß wir das lebende Zittern, das die herrliche Erscheinung dem Lichte entgegenregt, mit Augen zu schauen glauben.
Auch nicht ohne sittliche Nachwirkung war eine solche ästhetische Ausbildung geblieben: denn einen magischen Eindruck auf ein reines Gemüt bewirkt das Gewahrwerden der innigsten Dankbarkeit gegen irgend jemand, dem wir entscheidende Belehrung schuldig sind. Diesmal war es das erste frohe Gefühl, das in Hilariens Seele nach geraumer Zeit hervortrat. Die herrliche Welt erst tagelang vor sich zu sehen und nun die auf einmal verliehene vollkommenere Darstellungsgabe zu empfinden! Welche Wonne, in Zügen und Farben dem Unaussprechlichen näher zu treten! Sie fühlte sich mit einer neuen Jugend überrascht und konnte sich eine besondere Anneigung zu jenem, dem sie dies Glück schuldig geworden, nicht versagen.
So saßen sie nebeneinander; man hätte nicht unterscheiden können, wer hastiger, Kunstvorteile zu überliefern oder sie zu ergreifen und auszuüben, gewesen wäre. Der glücklichste Wettstreit, wie er sich selten zwischen Schüler und Meister entzündet, tat sich hervor. Manchmal schien der Freund auf ihr Blatt mit einem entscheidenden Zuge einwirken zu wollen, sie aber, sanft ablehnend, eilte, gleich das Gewünschte, das Notwendige zu tun, und immer zu seinem Erstaunen.
Der letzte Abend war nun herangekommen, und ein hervorleuchtender, klarster Vollmond ließ den Übergang von Tag zu Nacht nicht empfinden. Die Gesellschaft hatte sich zusammen auf einer der höchsten Terrassen gelagert, den ruhigen, von allen Seiten her erleuchteten und rings widerglänzenden See, dessen Länge sich zum Teil verbarg, seiner Breite nach ganz und klar zu überschauen.
Was man nun auch in solchen Zuständen besprechen mochte, so war doch nicht zu unterlassen, das hundertmal Besprochene, die Vorzüge dieses Himmels, dieses Wassers, dieser Erde, unter dem Einfluß einer gewaltigern Sonne, eines mildern Mondes nochmals zu bereden, ja sie ausschließlich und lyrisch anzuerkennen.
Was man sich aber nicht gestand, was man sich kaum selbst bekennen mochte, war das tiefe, schmerzliche Gefühl, das in jedem Busen stärker oder schwächer, durchaus aber gleich wahr und zart sich bewegte. Das Vorgefühl des Scheidens verbreitete sich über die Gesamtheit; ein allmähliches Verstummen wollte fast ängstlich werden.
Trefflich weiß er in mächtig schattenden Bäumen des Vordergrundes den unterscheidenden Charakter verschiedener Arten so in Gestalt des Ganzen wie in dem Gang der Zweige, den einzelnen Partien der Blätter befriedigend anzudeuten; nicht weniger in dem auf mancherlei Weise nuancierten frischen Grün, worin sanfte Lüfte mit gelindem Hauch zu fächeln und die Lichter daher gleichsam bewegt erscheinen.
Im Mittelgrund ermattet allmählich der lebhafte grüne Ton und vermählt sich auf entferntern Berghöhen schwach violett mit dem Blau des Himmels. Doch unserm Künstler glücken über alles Darstellungen höherer Alpgegenden; das einfach Große und Stille ihres Charakters, die ausgedehnten Weiden am Bergeshang, mit dem frischesten Grün überkleidet, wo dunkel einzeln stehende Tannen aus dem Rasenteppich ragen und von hohen Felswänden sich schäumende Bäche stürzen. Mag er die Weiden mit grasendem Rindvieh staffieren oder den engen, um Felsen sich windenden Bergpfad mit beladenen Saumpferden und Maultieren, er zeichnet alle gleich gut und geistreich; immer am schicklichen Ort und nicht in zu großer Fülle angebracht, zieren und beleben sie diese Bilder, ohne ihre ruhige Einsamkeit zu stören oder auch nur zu mindern. Die Ausführung zeugt von der kühnsten Meisterhand, leicht mit wenigen sichern Strichen und doch vollendet. Er bediente sich später englischer glänzender Permanentfarben auf Papier, daher sind diese Gemälde von vorzüglich blühendem Farbenton, heiter, aber zugleich kräftig und gesättigt.
Seine Abbildungen tiefster Felsschluchten, wo um und um nur totes Gestein starrt, im Abgrund, von kühner Brücke übersprungen, der wilde Strom tobt, gefallen zwar nicht wie die vorigen, doch ergreift uns ihre Wahrheit; wir bewundern die große Wirkung des Ganzen, durch wenige bedeutende Striche und Massen von Lokalfarben mit dem geringsten Aufwand hervorgebracht.
Ebenso charakteristisch weiß er die Gegenden des Hochgebirges darzustellen, wo weder Baum noch Gesträuch mehr fortkommt, sondern nur zwischen Felszacken und Schneegipfeln sonnige Flächen mit zartem Rasen sich bedecken. So schön und gründuftig und einladend er dergleichen Stellen auch koloriert, so sinnig hat er doch unterlassen, hier mit weidenden Herden zu staffieren, denn diese Gegenden geben nur Futter den Gemsen, und Wildheuern einen gefahrvollen Erwerb.«
Wir entfernen uns nicht von der Absicht, unsern Lesern den Zustand solcher wilden Gegenden so nah als möglich zu bringen, wenn wir das eben gebrauchte Wort Wildheuer mit wenigem erklären. Man bezeichnet damit ärmere Bewohner der Hochgebirge, welche sich unterfangen, auf Grasplätzen, die für das Vieh schlechterdings unzugänglich sind, Heu zu machen. Sie ersteigen deswegen, mit Steigehaken an den Füßen, die steilsten, gefährlichsten Klippen, oder lassen sich, wo es nötig ist, von hohen Felswänden an Stricken auf die besagten Grasplätze herab. Ist nun das Gras von ihnen geschlagen und zu Heu getrocknet, so werfen sie solches von den Höhen in tiefere Talgründe herab, wo dasselbe, wieder gesammelt, an Viehbesitzer verkauft wird, die es der vorzüglichen Beschaffenheit wegen gern erhandeln.
Jene Bilder, die zwar einen jeden erfreuen und anziehen müßten, betrachtete Hilarie besonders mit großer Aufmerksamkeit; ihre Bemerkungen gaben zu erkennen, daß sie selbst diesem Fache nicht fremd sei; am wenigsten blieb dies dem Künstler verborgen, der sich von niemand lieber erkannt gesehen hätte als gerade von dieser anmutigsten aller Personen. Die ältere Freundin schwieg daher nicht länger, sondern tadelte Hilarien, daß sie mit ihrer eigenen Geschicklichkeit hervorzutreten auch diesmal, wie immer, zaudere; hier sei die Frage nicht, gelobt oder getadelt zu werden, sondern zu lernen. Eine schönere Gelegenheit finde sich vielleicht nicht wieder.
Nun zeigte sich erst, als sie genötigt war, ihre Blätter vorzuweisen, welch ein Talent hinter diesem stillen, zierlichsten Wesen verborgen liege; die Fähigkeit war eingeboren, fleißig geübt. Sie besaß ein treues Auge, eine reinliche Hand, wie sie Frauen bei ihren sonstigen Schmuck- und Putzarbeiten zu höherer Kunst befähigt. Man bemerkte freilich Unsicherheit in den Strichen und deshalb nicht hinlänglich ausgesprochenen Charakter der Gegenstände, aber man bewunderte genugsam die fleißigste Ausführung; dabei jedoch das Ganze nicht aufs vorteilhafteste gefaßt, nicht künstlerisch zurechtgerückt. Sie fürchtet, so scheint es, den Gegenstand zu entweihen, bliebe sie ihm nicht vollkommen getreu, deshalb ist sie ängstlich und verliert sich im Detail.
Nun aber fühlt sie sich durch das große, freie Talent, die dreiste Hand des Künstlers aufgeregt, erweckt, was von Sinn und Geschmack in ihr treulich schlummerte; es geht ihr auf, daß sie nur Mut fassen, einige Hauptmaximen, die ihr der Künstler gründlich, freundlich-dringend, wiederholt überlieferte, ernst und sträcklich befolgen müsse. Die Sicherheit des Striches findet sich ein, sie hält sich allmählich weniger an die Teile als ans Ganze, und so schließt sich die schönste Fähigkeit unvermutet zur Fertigkeit auf: wie eine Rosenknospe, an der wir noch abends unbeachtend vorübergingen, morgens mit Sonnenaufgang vor unsern Augen hervorbricht, so daß wir das lebende Zittern, das die herrliche Erscheinung dem Lichte entgegenregt, mit Augen zu schauen glauben.
Auch nicht ohne sittliche Nachwirkung war eine solche ästhetische Ausbildung geblieben: denn einen magischen Eindruck auf ein reines Gemüt bewirkt das Gewahrwerden der innigsten Dankbarkeit gegen irgend jemand, dem wir entscheidende Belehrung schuldig sind. Diesmal war es das erste frohe Gefühl, das in Hilariens Seele nach geraumer Zeit hervortrat. Die herrliche Welt erst tagelang vor sich zu sehen und nun die auf einmal verliehene vollkommenere Darstellungsgabe zu empfinden! Welche Wonne, in Zügen und Farben dem Unaussprechlichen näher zu treten! Sie fühlte sich mit einer neuen Jugend überrascht und konnte sich eine besondere Anneigung zu jenem, dem sie dies Glück schuldig geworden, nicht versagen.
So saßen sie nebeneinander; man hätte nicht unterscheiden können, wer hastiger, Kunstvorteile zu überliefern oder sie zu ergreifen und auszuüben, gewesen wäre. Der glücklichste Wettstreit, wie er sich selten zwischen Schüler und Meister entzündet, tat sich hervor. Manchmal schien der Freund auf ihr Blatt mit einem entscheidenden Zuge einwirken zu wollen, sie aber, sanft ablehnend, eilte, gleich das Gewünschte, das Notwendige zu tun, und immer zu seinem Erstaunen.
Der letzte Abend war nun herangekommen, und ein hervorleuchtender, klarster Vollmond ließ den Übergang von Tag zu Nacht nicht empfinden. Die Gesellschaft hatte sich zusammen auf einer der höchsten Terrassen gelagert, den ruhigen, von allen Seiten her erleuchteten und rings widerglänzenden See, dessen Länge sich zum Teil verbarg, seiner Breite nach ganz und klar zu überschauen.
Was man nun auch in solchen Zuständen besprechen mochte, so war doch nicht zu unterlassen, das hundertmal Besprochene, die Vorzüge dieses Himmels, dieses Wassers, dieser Erde, unter dem Einfluß einer gewaltigern Sonne, eines mildern Mondes nochmals zu bereden, ja sie ausschließlich und lyrisch anzuerkennen.
Was man sich aber nicht gestand, was man sich kaum selbst bekennen mochte, war das tiefe, schmerzliche Gefühl, das in jedem Busen stärker oder schwächer, durchaus aber gleich wahr und zart sich bewegte. Das Vorgefühl des Scheidens verbreitete sich über die Gesamtheit; ein allmähliches Verstummen wollte fast ängstlich werden.
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