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Also sprach Zarathustra (Kapitel 72 -92) - Friedrich Nietzsche
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Also sprach Zarathustra (Kapitel 72 -92) Friedrich Nietzsche

Also sprach Zarathustra (Kapitel 72 -92) - Friedrich Nietzsche
                                          Vierter und letzter Theil

    Ach, wo in der Welt geschahen grössere Thorheiten, als bei den Mitleidigen? Und was in der Weit stiftete mehr Leid, als die Thorheiten der Mitleidigen?

    Wehe allen Liebenden, die nicht noch eine Höhe haben, welche über ihrem Mitleiden ist!

    Also sprach der Teufel einst zu mir: »auch Gott hat seine Hölle: das ist seine Liebe zu den Menschen.«

    Und jüngst hörte ich ihn diess Wort sagen: »Gott ist todt; an seinem Mitleiden mit den Menschen ist Gott gestorben.«

    Zarathustra, Von den Mitleidigen

                                          Das Honig-Opfer

    – Und wieder liefen Monde und Jahre über Zarathustra's Seele, und er achtete dessen nicht; sein Haar aber wurde weiss. Eines Tages, als er auf einem Steine vor seiner Höhle sass und still hinausschaute, – man schaut aber dort auf das Meer hinaus, und hinweg über gewundene Abgründe – da giengen seine Thiere nachdenklich um ihn herum und stellten sich endlich vor ihn hin.

    »Oh Zarathustra, sagten sie, schaust du wohl aus nach deinem Glücke?« – »Was liegt am Glücke! antwortete er, ich trachte lange nicht mehr nach Glücke, ich trachte nach meinem Werke.« – »Oh Zarathustra, redeten die Thiere abermals, Das sagst du als Einer, der des Guten übergenug hat. Liegst du nicht in einem himmelblauen See von Glück?« – Ihr Schalks-Narren, antwortete Zarathustra und lächelte, wie gut wähltet ihr das Gleichniss! Aber ihr wisst auch, dass mein Glück schwer ist und nicht wie eine flüssige Wasserwelle: es drängt mich und will nicht von mir und thut gleich geschmolzenem Peche.

    Da giengen die Thiere wieder nachdenklich um ihn herum und stellten sich dann abermals vor ihn hin. »Oh Zarathustra, sagten sie, daher also kommt es, dass du selber immer gelber und dunkler wirst, obschon dein Haar weiss und flächsern aussehen will? Siehe doch, du sitzest in deinem Peche!« – Was sagt ihr da, meine Thiere, sagte Zarathustra und lachte dazu, wahrlich, ich lästerte als ich von Peche sprach. Wie mir geschieht, so geht es allen Früchten, die reif werden. Es ist der Honig in meinen Adern, der mein Blut dicker und auch meine Seele stiller macht.« – »So wird es sein, oh Zarathustra, antworteten die Thiere und drängten sich an ihn; willst du aber nicht heute auf einen hohen Berg steigen? Die Luft ist rein, und man sieht heute mehr von der Welt als jemals.« – »Ja, meine Thiere, antwortete er, ihr rathet trefflich und mir nach dem Herzen: ich will heute auf einen hohen Berg steigen! Aber sorgt, dass dort Honig mir zur Hand sei, gelber, weisser, guter, eisfrischer Waben-Goldhonig. Denn wisset, ich will droben das Honig-Opfer bringen.«

    Als Zarathustra aber oben auf der Höhe war, sandte er die Thiere heim, die ihn geleitet hatten, und fand, dass er nunmehr allein sei: – da lachte er aus ganzem Herzen, sah sich um und sprach also:

    Dass ich von Opfern sprach und Honig-Opfern, eine List war's nur meiner Rede und, wahrlich, eine nützliche Thorheit! Hier oben darf ich schon freier reden, als vor Einsiedler-Höhlen und Einsiedler-Hausthieren.

    Was opfern! Ich verschwende, was mir geschenkt wird, ich Verschwender mit tausend Händen: wie dürfte ich Das noch – Opfern heissen!
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