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Kabale und Liebe - 3. Szene (1. Akt) - Friedrich Schiller
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Kabale und Liebe - 3. Szene (1. Akt) Friedrich Schiller

Kabale und Liebe - 3. Szene (1. Akt) - Friedrich Schiller
Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige.

Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm die Hand). Guten Morgen, lieber Vater.

Miller (warm). Brav, meine Luise – Freut mich, daß du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.

Luise. O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater – War er da, Mutter?

Ferdinand. Wer, mein Kind?

Luise. Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt – Mein Kopf ist so wüste – Er war nicht da? Walter?

Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise hätte den Namen in der Kirche gelassen?

Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater – fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es kommt zu spät. – Ich hab' keine Andacht mehr, Vater – der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte – ich fürchte – (Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt. – Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?

Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.

Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist? – Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen – ihn hören – ich bin ein schlechtes, vergessenes Mädchen. (Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig – an ihn denken – das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben – dürft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen; – dies Blümchen Jugend – wär' es ein Veilchen, und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben! – Damit genügte mir, Vater! Wenn die Mücke in ihren Strahlen sich sonnt – kann sie das strafen, die stolze majestätische Sonne?

Miller (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht). Höre, Luise – das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gäb' es hin, hättest du den Major nie gesehen.

Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was? – Nein, er meint es anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah – (rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's! – und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals – o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, daß sie niemals so schön war. Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt.

Miller (tritt auf sie zu, drückt sie wider seine Brust). Luise – theures – herrliches Kind – nimm meinen alten mürben Kopf – nimm Alles – Alles! – den Major – Gott ist mein Zeuge – ich kann dir ihn nimmer geben. (Er geht ab.)
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