Vierter Aufzug
Erster Auftritt
Zimmer.
Tasso allein.
Bist du aus einem Traum erwacht, und hat Der schöne Trug auf einmal dich verlassen? Hat dich nach einem Tag der höchsten Lust Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja, Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin, Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten? Die Tage, wo dein Geist mit freyer Sehnsucht Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang? Und dennoch lebst du noch, und fühlst dich an, Du fühlst dich an, und weißt nicht ob du lebst. Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld, Daß ich mich nun als schuldig hier befinde? Hab, ich verbrochen, daß ich leiden soll? Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst? Ich sah ihn an, und ward vom guten Willen, Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt: Der sey ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt. Ich ging mit off'nen Armen auf ihn los, Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust. O hatt' ich doch so klug mir ausgedacht, Wie ich den Mann empfangen wollte, der Von alten Zeiten mir verdächtig war! Allein was immer dir begegnet sey, So halte dich an der Gewißheit fest: Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir! Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen! Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn, Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück, Und hob mein Geist sich da zu schnell empor, Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen Der Flamme Luft, die mich nun selbst verzehrt, So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst Auf ewig das Geschick des Lebens hin. Ich widmete mich ihr, und folgte froh Dem Winke, der mich in's Verderben rief. Es sey! So hab' ich mich doch werth gezeigt Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt, In dieser Stunde selbst erquickt, die mir Die schwarze Pforte langer Trauerzeit Gewaltsam öffnet. – Ja, nun ist's gethan! Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst Auf einmal unter; seinen holden Blick Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn. Das häßliche zweydeutige Geflügel, Das leidige Gefolg' der alten Nacht, Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt. Wohin, wohin beweg' ich meinen Schritt? Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaußt, Dem Abgrund zu entgehn, der vor mir liegt?
Zweyter Auftritt.
Leonore. Tasso.
Leonore.
Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben? Wie ist's geschehn? Wir alle stehn bestürzt. Und deine Sanftmuth, dein gefällig Wesen, Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand, Mit dem du jedem gibst was ihm gehört, Dein Gleichmuth, der erträgt, was zu ertragen Der Edle bald, der Eitle selten lernt, Die kluge Herrschaft über Zung' und Lippe? – Mein theurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich.
Tasso.
Und wenn das alles nun verloren wäre? Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt, Auf einmal du als einen Bettler fändest? Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst, Und bin's doch noch so gut als wie ich's war. Es scheint ein Räthsel, und doch ist es keins. Der stille Mond, der dich bey Nacht erfreut, Dein Auge, dein Gemüth mit seinem Schein Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin. Ich bin vom Glanz des Tages überschienen, Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.
Leonore.
Was du mir sagst, mein Freund, versteh' ich nicht Wie du es sagst. Erkläre dich mit mir. Hat die Beleidigung des schroffen Mann's Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns So ganz verkennen magst? Vertraue mir.
Tasso.
Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe. Die Knoten vieler Worte lös't das Schwert Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen. Du weißt wohl kaum – erschrick nicht, zarte Freundinn – Du triffst den Freund in einem Kerker an. Mich züchtiget der Fürst wie einen Schüler. Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht.
Leonore.
Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt.
Erster Auftritt
Zimmer.
Tasso allein.
Bist du aus einem Traum erwacht, und hat Der schöne Trug auf einmal dich verlassen? Hat dich nach einem Tag der höchsten Lust Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja, Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin, Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten? Die Tage, wo dein Geist mit freyer Sehnsucht Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang? Und dennoch lebst du noch, und fühlst dich an, Du fühlst dich an, und weißt nicht ob du lebst. Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld, Daß ich mich nun als schuldig hier befinde? Hab, ich verbrochen, daß ich leiden soll? Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst? Ich sah ihn an, und ward vom guten Willen, Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt: Der sey ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt. Ich ging mit off'nen Armen auf ihn los, Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust. O hatt' ich doch so klug mir ausgedacht, Wie ich den Mann empfangen wollte, der Von alten Zeiten mir verdächtig war! Allein was immer dir begegnet sey, So halte dich an der Gewißheit fest: Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir! Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen! Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn, Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück, Und hob mein Geist sich da zu schnell empor, Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen Der Flamme Luft, die mich nun selbst verzehrt, So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst Auf ewig das Geschick des Lebens hin. Ich widmete mich ihr, und folgte froh Dem Winke, der mich in's Verderben rief. Es sey! So hab' ich mich doch werth gezeigt Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt, In dieser Stunde selbst erquickt, die mir Die schwarze Pforte langer Trauerzeit Gewaltsam öffnet. – Ja, nun ist's gethan! Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst Auf einmal unter; seinen holden Blick Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn. Das häßliche zweydeutige Geflügel, Das leidige Gefolg' der alten Nacht, Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt. Wohin, wohin beweg' ich meinen Schritt? Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaußt, Dem Abgrund zu entgehn, der vor mir liegt?
Zweyter Auftritt.
Leonore. Tasso.
Leonore.
Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben? Wie ist's geschehn? Wir alle stehn bestürzt. Und deine Sanftmuth, dein gefällig Wesen, Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand, Mit dem du jedem gibst was ihm gehört, Dein Gleichmuth, der erträgt, was zu ertragen Der Edle bald, der Eitle selten lernt, Die kluge Herrschaft über Zung' und Lippe? – Mein theurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich.
Tasso.
Und wenn das alles nun verloren wäre? Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt, Auf einmal du als einen Bettler fändest? Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst, Und bin's doch noch so gut als wie ich's war. Es scheint ein Räthsel, und doch ist es keins. Der stille Mond, der dich bey Nacht erfreut, Dein Auge, dein Gemüth mit seinem Schein Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin. Ich bin vom Glanz des Tages überschienen, Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.
Leonore.
Was du mir sagst, mein Freund, versteh' ich nicht Wie du es sagst. Erkläre dich mit mir. Hat die Beleidigung des schroffen Mann's Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns So ganz verkennen magst? Vertraue mir.
Tasso.
Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe. Die Knoten vieler Worte lös't das Schwert Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen. Du weißt wohl kaum – erschrick nicht, zarte Freundinn – Du triffst den Freund in einem Kerker an. Mich züchtiget der Fürst wie einen Schüler. Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht.
Leonore.
Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt.
Comments (0)
The minimum comment length is 50 characters.